| REMAinside Ausgabe 1/2020
Zu Besuch beim "REIFENDOC"
Vulkaniseurmeister Ingo Schobert will das Vertrauen in die Reifenreparatur stärken.
Wenn Ingo Schobert in einem anderen Land Urlaub macht, guckt er sich gerne Reifen an. Allerdings sind es weniger die Neureifen, die den Blick des Vulkaniseurmeisters aus Bayern auf sich ziehen - es sind die reparierten oder runderneuerten Exemplare, die weiter ihren Dienst auf dem Asphalt leisten. In vielen Ländern dieser Welt gibt es einen nachhaltigeren Umgang mit beschädigten Reifen als in Deutschland", erklärt Ingo Schobert. Ob in Sevilla, Kairo oder Rio de Janeiro: Dort sind Reifenreparateure Könige, denn sie halten den städtischen Verkehr am Laufen." Als er das sagt, sitzt Ingo Schobert weder in Spanien noch in Agypten oder Brasilien, sondern in seiner Münchener Werkstatt BU Reifenservice. Dort hat sich der Vulkaniseurmeister mit seinem ehemaligen Ausbilder Gerhard Hieber, heute Produktmanager bei REMA TIP TOP und REMAinside-Redakteur Jonas Kothy zum Interview verabredet. Der Empfangsbereich ist mit einem Aufkleber der Münchener Löwen dekoriert. In Ingo Schobers Büro schaffen holzvertafelte Wande, eine rustikale Sitzbank
und Maßkrüge im Regal eine gemotlich-urige Atmosphare. Passend dazu wird auf „boarisch diskutiert – doch nicht nur sprachlich stimmt die Chemie zwischen Ingo Schobert und Gerhard Hieber.
Herr Schobert, Herr Hieber, warum ist die Reparatur von Pkw-Reifen in Deutschland immer noch ein Markt mit ungenutztem Potenzial?
Genauso, wie sich lange das Vorurteil gehalten hat, der Öko-Kraftstoff E10 schade den Autos, heißt es bis heute noch in vielen Foren und Stammtischrunden:, Reifenreparatur ist nicht sicher! Dabei können wir auf jahrzehntelange Erfahrungen, unabhängige Gutachten, die Straßenverkehrs-Zu- lassungs-Ordnung. Stellungnahmen des ADAC und verschiedene TÜV-Zertifikate verweisen, die das genaue Gegenteil belegen: Eine professionelle Reifenreparatur ist sicher!"
Hieber: ,,Leider ist dieses Wissen viel zu wenig verbreitet, selbst in der Kfz-Branche. In einer Werkstatt wurden an meinem Privat-Wagen einmal meine runderneuerten Reifen moniert, weil der Kfz-Mechaniker der Meinung war, sie seien nicht verkehrstauglich. Ich habe daraufhin gesagt: ,Zeigt mir das Gesetz, wo das drinsteht! Konnten sie natürlich nicht, da es zurecht kein Verbot gibt. Unsere Reparaturen sind TÜV-zertifiziert für Geschwindigkeiten bis über 300 km/h, also auch für UHP-Reifen mit Geschwindigkeitsindex ZR. In der REMA TIP TOP Academy bieten wir für jeden interessierten Vulkaniseurmeister Schulungen an.
Wie viele Reifen können überhaupt repariert werden?
Schobert: „Bei 90 Prozent der Reifen, die ich in meiner Werkstatt erhalte, bin ich mir nach einer Begutachtung sicher, dass ich sie reparieren kann. Die übrigen zehn Prozent lehne ich aus Sicherheitsgründen ab, beispielsweise weil der Schaden zu groß ist oder der Reifen zu alt.
Meine Kunden kommen aus ganz Bayern und weiter zu mir, um ihre Reifen reparieren zu lassen - oft mit teuren neuen Autos."
Hieber: . Mittels Heißvulkanisation lässt sich fast alles reparieren: Egal ob Runflat oder kein Runflat, ob UHP oder Standardreifen, ob Sommer- oder Winterreifen, ob viel oder wenig Profil. Auch die Schadensgröße ist für die Reparierbarkeit eher zweitrangig - wenn der halbe Reifen weg ist, stellt sich aber sicher die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.
Warum lohnt sich die Reparatur für Ihre Kunden?
Hieber: ,,Das ist eine ganz einfache Rechnung: Wenn ich mir mit einem modernen SUV mit Allradantrieb einen Nagel einfahre und mir aufgrund dessen und wegen der drohenden Beschädigung der Karkasse ein neuer Reifen aufgedrückt wird, muss ich gleich vier davon kaufen, da beide Achsen Antriebsstrange sind. Macht inklusive Montage gut und gerne 1.500 Euro."
Schobert: „Eine Reparatur beginnt bei mir je nach Reifentyp bei etwa 30 Euro, für einen Reifen aus dem SUV-Beispiel liegen wir vermutlich eher bei 150 Euro - immer noch ein Bruchteil des Neupreises. Da kommen die Kunden zum Teil von außerhalb mit einem Provisorium zu mir, lassen das Auto da, fahren zum Shoppen in die Stadt und können nachmittags mit dem instandgesetzten Reifen wieder nach Hause fahren."
Woran erkenne ich als normaler Pkw-Fahrer, ob ein Schaden fachgemäß bearbeitet wird?
Schobert: ,,Der Reparateur muss zunächst den Schaden begutachten: Was ist die Ursache, ist die Karkasse beschädigt, wie groß ist der Schaden, an welcher Stelle liegt er? Dann arbeitet er den Schaden aus, verfüllt den Schadenstrichter, vulkanisiert den Bereich und arbeitet gegebenenfalls das alte Profil wieder heraus - so der grobe Ablauf. Es gibt auch verlässliche Lösungen für eine Kaltvulkanisation, ähnlich wie beim Fahrrad, zum Beispiel mit MINICOMBI von REMA TIP TOP, aber auch hier erfolgt die Reparatur von innen.
Kunden aus ganz Bayern
Ingo Schobert hat sich mit seiner Münchener Werkstatt BU Reifenservice auf die Wartung, Instandhaltung und Reparatur der Autobereifung spezialisiert. In Spitzenzeiten repariert er sechs bis sieben Pkw-Reifen pro Tag -- für mehr reicht der Platz nicht. Daher eröffnete der 44-Jährige im Februar 2020 eine weitere Niederlassung nur für Reparaturen, den „Reifendoc".
Als Verfahren setzt er auf die Heißvulkanisation mittels Vulcstar, einem Vulkanisiergerät von REMA TIP TOP. Bei dieser Methode werden der mit Gummi verfüllte Schadenstrichter und das Reparaturpflaster im Ein-Wege-Verfahren miteinander verbunden. Ein Granulatkissen auf der Innenseite des Reifens erzeugt den Anpressdruck, der für eine gute Reparatur entscheidend ist. Es drückt den Reifen mit der Lauffläche in eine mit Granulat gefüllte Wanne, wodurch der Druck auch bei einem stark ausgeprägten Profil gleichmäßig auf den Mantel verteilt wird. Der Vorteil beim Ein-Wege-Verfahren: Nach einer kurzen Abkühlphase ist der Reifen schnell wieder einsatzbereit.
Ingo Schobert setzt sich auch dafür ein, das Vertrauen in die Reifenreparatur zu stärken. Dafür gab er vor einigen Jahren selbst ein Gutachten bei der TU Darmstadt in Auftrag. In mehreren Langlauftests mit von ihm reparierten Reifen wurde die Geschwindigkeit immer weiter gesteigert. „An den Reifen sind bei Geschwindigkeiten jenseits der Zulassung irgendwann Gürtelkantenseparationen, also Ablösungen von der Laufbahn, aufgetreten. Am von mir reparierten Schaden hat sich dagegen nichts, aber auch gar nichts getan", sagt er.